Der Kurs in meinem Garten
Es geht auch ohne Kuh
Ein Beitrag von Hans Fuchs
Zu meiner anfänglichen Verwunderung ging Steiner in seinem vierten Vortrag (siehe Seite 102, Zeile 24 bis Seite 104, Zeile 29) nicht auf das Wesen einkeimblättriger Pflanzen, zu denen auch die Getreide und Gräser zählen (was in Anbetracht seines Fachpublikums durchaus zu erwarten wäre) ein, sondern wandte sich kurz den krautigen (zweikeimblättrigen) Pflanzen und dann vertiefend den Bäumen (wobei Laubbäume zu den zweikeimblättrigen und Nadelbäume zu den vielkeimblättrigen Pflanzen gehören) zu.
Steiners Anliegen war es, seinen Zuhörern eine Einsicht in die Notwendigkeit einer zweiten Pflanzenhülle zu vermitteln; nicht zu übersehen ist sie bei den Bäumen, seinem Vorbild, in Gestalt der Rinde und der aus ihr hervorgehenden Borke und das unabhängig davon, ob der fragliche Baum aus einer zweikeimblättrigen oder einer vielkeimblättrigen Keimpflanze erwuchs (weniger auffällig ist diese zweite Pflanzenhülle bei den zweikeimblättrigen krautigen Pflanzen).
Die uns vertrauten Getreide (gemeint sind hier Gerste, Hafer, Roggen, Weizen) und Gräser (beide zählen zu den einkeimblättrige Pflanzen) bilden jedoch eine derartige zweite Pflanzenhülle nicht aus. Es ist daher der Mensch, der durch sein Handeln hier den Getreiden und Gräsern in zwei Schritten fördernd zur Seite stehen muss: Zunächst Verkompostierung aller anfallenden organischen Abfälle - mit diesem Kompost ist das Weideland abzudüngen – und in einem weiteren Schritt Verkompostierung des Tierdungs (vornehmlich Rinderdungs) – erst dieser Kompost ist dem Acker und damit dem Getreideanbau zugedacht (siehe Seite 108, Zeile 1 bis Seite 110, Zeile 3 und Seite 112, Zeile 29 bis Seite 113, Ziel 25).
Die meisten Gemüse in unseren Gärten gehören zu den zweikeimblättrigen Pflanzen (Ausnahme: Knoblauch, Porree, Schalotte, Zwiebel) und sind von Anfang an mit der von Steiner angeführten zweiten Pflanzenhülle ausgestattet. Die im Getreideanbau bestehende Herausforderung (zur Verdeutlichung: Einkeimblättrige Pflanzen bilden weder eine Rinde, noch ein Kambium aus) besteht im Gemüseanbau nicht.
Die fehlende Kuh hat in der „hausgärtnerischen Individualität“ so betrachtet nicht die Tragweite, die in Gesprächen immer wieder vermutet oder gar behauptet wird.
Vielmehr ist das gärtnerische Augenmerk auf andere Herausforderungen abzustellen. Während Getreide ihren Lebenszyklus von der Aussaat bis zur Kornreife auf dem Acker vollenden können, werden die Gemüse des Gartens dem prallen Leben entrissen; wir ernten Wurzeln, Knollen, Blätter, Stängel, Knospen und in ganz seltenen Fällen selbst Blüten, doch dazu in einem weiteren Beitrag mehr…
10/2016
Angabe der Fundstellen gemäß
Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft. Landwirtschaftlicher Kurs. 5. Auflage 2011